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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

Ein Mann und eine Frau saЯen nackt auf einem Kanapee, die gemeine Absicht des Zeichners war deutlich zu erkennen, aber seine Ungeschicklichkeit war so groЯ gewesen, daЯ schlieЯlich doch nur ein Mann und eine Frau zu sehen waren, die allzu kцrperlich aus dem Bilde hervorragten, ьbermдЯig aufrecht dasaЯen und sich infolge falscher Perspektive nur mьhsam einander zuwendeten. K. blдtterte nicht weiter, sondern schlug nur noch das Titelblatt des zweiten Buches auf, es war ein Roman mit dem Titel: »Die Plagen, welche Grete von ihrem Manne Hans zu erleiden hatte.« »Das sind die Gesetzbьcher, die hier studiert werden«, sagte K., »von solchen Menschen soll ich gerichtet werden.« »Ich werde Ihnen helfen«, sagte die Frau. »Wollen Sie?« »Kцnnten Sie denn das wirklich, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen? Sie sagten doch vorhin, Ihr Mann sei sehr abhдngig von Vorgesetzten.« »Trotzdem will ich Ihnen helfen«, sagte die Frau, »kommen Sie, wir mьssen es besprechen. Ьber meine Gefahr reden Sie nicht mehr, ich fьrchte die Gefahr nur dort, wo ich sie fьrchten will. Kommen Sie.« Sie zeigte auf das Podium und bat ihn, sich mit ihr auf die Stufe zu setzen. »Sie haben schцne dunkle Augen«, sagte sie, nachdem sie sich gesetzt hatten, und sah K. von unten ins Gesicht, »man sagt mir, ich hдtte auch schцne Augen, aber Ihre sind viel schцner. Sie fielen mir ьbrigens gleich damals auf, als Sie zum erstenmal hier eintraten. Sie waren auch der Grund, warum ich dann spдter hierher ins Versammlungszimmer ging, was ich sonst niemals tue und was mir sogar gewissermaЯen verboten ist.« Das ist also alles, dachte K., sie bietet sich mir an, sie ist verdorben wie alle hier rings herum, sie hat die Gerichtsbeamten satt, was ja begreiflich ist, und begrьЯt deshalb jeden beliebigen Fremden mit einem Kompliment wegen seiner Augen. Und K. stand stillschweigend auf, als hдtte er seine Gedanken laut ausgesprochen und dadurch der Frau sein Verhalten erklдrt. »Ich glaube nicht, daЯ Sie mir helfen kцnnen«, sagte er, »um mir wirklich zu helfen, mьЯte man Beziehungen zu hohen Beamten haben. Sie aber kennen gewiЯ nur die niedrigen Angestellten, die sich hier in Mengen herumtreiben. Diese kennen Sie gewiЯ sehr gut und kцnnten bei ihnen auch manches durchsetzen, das bezweifle ich nicht, aber das GrцЯte, was man bei ihnen durchsetzen kцnnte, wдre fьr den endgьltigen Ausgang des Prozesses gдnzlich belanglos. Sie aber hдtten sich dadurch doch einige Freunde verscherzt. Das will ich nicht. Fьhren Sie Ihr bisheriges Verhдltnis zu diesen Leuten weiter, es scheint mir nдmlich, daЯ es Ihnen unentbehrlich ist. Ich sage das nicht ohne Bedauern, denn, um Ihr Kompliment doch auch irgendwie zu erwidern, auch Sie gefallen mir gut, besonders wenn Sie mich wie jetzt so traurig ansehen, wozu ьbrigens fьr Sie gar kein Grund ist. Sie gehцren zu der Gesellschaft, die ich bekдmpfen muЯ, befinden sich aber in ihr sehr wohl, Sie lieben sogar den Studenten, und wenn Sie ihn nicht lieben, so ziehen Sie ihn doch wenigstens Ihrem Manne vor. Das konnte man aus Ihren Worten leicht erkennen.« »Nein!« rief sie, blieb sitzen und griff nach K.s Hand, die er ihr nicht rasch genug entzog. »Sie dьrfen jetzt nicht weggehen, Sie dьrfen nicht mit einem falschen Urteil ьber mich weggehen! Brдchten Sie es wirklich zustande, jetzt wegzugehen? Bin ich wirklich so wertlos, daЯ Sie mir nicht einmal den Gefallen tun wollen, noch ein kleines Weilchen hierzubleiben?« »Sie miЯverstehen mich«, sagte K. und setzte sich, »wenn Ihnen wirklich daran liegt, daЯ ich hier bleibe, bleibe ich gern, ich habe ja Zeit, ich kam doch in der Erwartung her, daЯ heute eine Verhandlung sein werde. Mit dem, was ich frьher sagte, wollte ich Sie nur bitten, in meinem ProzeЯ nichts fьr mich zu unternehmen. Aber auch das muЯ Sie nicht krдnken, wenn Sie bedenken, daЯ mir am Ausgang des Prozesses gar nichts liegt und daЯ ich ьber eine Verurteilung nur lachen werde. Vorausgesetzt, daЯ es ьberhaupt zu einem wirklichen AbschluЯ des Prozesses kommt, was ich sehr bezweifle. Ich glaube vielmehr, daЯ das Verfahren infolge Faulheit oder VergeЯlichkeit oder vielleicht sogar infolge Angst der Beamtenschaft schon abgebrochen ist oder in der nдchsten Zeit abgebrochen werden wird. Mцglich ist allerdings auch, daЯ man in Hoffnung auf irgendeine grцЯere Bestechung den ProzeЯ scheinbar weiterfьhren wird, ganz vergeblich, wie ich heute schon sagen kann, denn ich besteche niemanden. Es wдre immerhin eine Gefдlligkeit, die Sie mir leisten kцnnten, wenn Sie dem Untersuchungsrichter oder irgend jemandem sonst, der wichtige Nachrichten gern verbreitet, mitteilten, daЯ ich niemals und durch keine Kunststьcke, an denen die Herren wohl reich sind, zu einer Bestechung zu bewegen sein werde. Es wдre ganz aussichtslos, das kцnnen Sie ihnen offen sagen. Ьbrigens wird man es vielleicht selbst schon bemerkt haben, und selbst wenn dies nicht sein sollte, liegt mir gar nicht so viel daran, daЯ man es jetzt schon erfдhrt. Es wьrde ja dadurch den Herren nur Arbeit erspart werden, allerdings auch mir einige Unannehmlichkeiten, die ich aber gern auf mich nehme, wenn ich weiЯ, daЯ jede gleichzeitig ein Hieb fьr die anderen ist. Und daЯ es so wird, dafьr will ich sorgen. Kennen Sie eigentlich den Untersuchungsrichter?« »Natьrlich«, sagte die Frau, »an den dachte ich sogar zuerst, als ich Ihnen Hilfe anbot. Ich wuЯte nicht, daЯ er nur ein niedriger Beamter ist, aber da Sie es sagen, wird es wahrscheinlich richtig sein. Trotzdem glaube ich, daЯ der Bericht, den er nach oben liefert, immerhin einigen EinfluЯ hat. Und er schreibt soviel Berichte. Sie sagen, daЯ die Beamten faul sind, alle gewiЯ nicht, besonders dieser Untersuchungsrichter nicht, er schreibt sehr viel. Letzten Sonntag zum Beispiel dauerte die Sitzung bis gegen Abend. Alle Leute gingen weg, der Untersuchungsrichter aber blieb im Saal, ich muЯte ihm eine Lampe bringen, ich hatte nur eine kleine Kьchenlampe, aber er war mit ihr zufrieden und fing gleich zu schreiben an. Inzwischen war auch mein Mann gekommen, der an jenem Sonntag gerade Urlaub hatte, wir holten die Mцbel, richteten wieder unser Zimmer ein, es kamen dann noch Nachbarn, wir unterhielten uns noch bei einer Kerze, kurz, wir vergaЯen den Untersuchungsrichter und gingen schlafen. Plцtzlich in der Nacht, es muЯ schon tief in der Nacht gewesen sein, wache ich auf, neben dem Bett steht der Untersuchungsrichter und blendet die Lampe mit der Hand ab, so daЯ auf meinen Mann kein Licht fдllt, es war unnцtige Vorsicht, mein Mann hat einen solchen Schlaf, daЯ ihn auch das Licht nicht geweckt hдtte. Ich war so erschrocken, daЯ ich fast geschrien hдtte, aber der Untersuchungsrichter war sehr freundlich, ermahnte mich zur Vorsicht, flьsterte mir zu, daЯ er bis jetzt geschrieben habe, daЯ er mir jetzt die Lampe zurьckbringe und daЯ er niemals den Anblick vergessen werde, wie er mich schlafend gefunden habe. Mit dem allem wollte ich Ihnen nur sagen, daЯ der Untersuchungsrichter tatsдchlich viele Berichte schreibt, insbesondere ьber Sie, denn Ihre Einvernahme war gewiЯ einer der Hauptgegenstдnde der sonntдglichen Sitzung. Solche langen Berichte kцnnen aber doch nicht ganz bedeutungslos sein. AuЯerdem aber kцnnen Sie doch auch aus dem Vorfall sehen, daЯ sich der Untersuchungsrichter um mich bewirbt und daЯ ich gerade jetzt in der ersten Zeit, er muЯ mich ьberhaupt erst jetzt bemerkt haben, groЯen EinfluЯ auf ihn haben kann. DaЯ ihm viel an mir liegt, dafьr habe ich jetzt auch noch andere Beweise. Er hat mir gestern durch den Studenten, zu dem er viel Vertrauen hat und der sein Mitarbeiter ist, seidene Strьmpfe zum Geschenk geschickt, angeblich dafьr, daЯ ich das Sitzungszimmer aufrдume, aber das ist nur ein Vorwand, denn diese Arbeit ist doch nur meine Pflicht und fьr sie wird mein Mann bezahlt. Es sind schцne Strьmpfe, sehen Sie«– sie streckte die Beine, zog die Rцcke bis zum Knie hinauf und sah auch selbst die Strьmpfe an –, »es sind schцne Strьmpfe, aber doch eigentlich zu fein und fьr mich nicht geeignet.«
Plцtzlich unterbrach sie sich, legte ihre Hand auf K.s Hand, als wolle sie ihn beruhigen, und flьsterte: »Still, Berthold sieht uns zu.« K. hob langsam den Blick. In der Tьr des Sitzungszimmers stand ein junger Mann, er war klein, hatte nicht ganz gerade Beine und suchte sich durch einen kurzen, schьtteren, rцtlichen Vollbart, in dem er die Finger fortwдhrend herumfьhrte, Wьrde zu geben. K. sah ihn neugierig an, es war ja der erste Student der unbekannten Rechtswissenschaft, dem er gewissermaЯen menschlich begegnete, ein Mann, der wahrscheinlich auch einmal zu hцheren Beamtenstellen gelangen wьrde. Der Student dagegen kьmmerte sich um K. scheinbar gar nicht, er winkte nur mit einem Finger, den er fьr einen Augenblick aus seinem Barte zog, der Frau und ging zum Fenster, die Frau beugte sich zu K. und flьsterte: »Seien Sie mir nicht bцse, ich bitte Sie vielmals, denken Sie auch nicht schlecht von mir, ich muЯ jetzt zu ihm gehen, zu diesem scheuЯlichen Menschen, sehen Sie nur seine krummen Beine an. Aber ich komme gleich zurьck, und dann gehe ich mit Ihnen, wenn Sie mich mitnehmen, ich gehe, wohin Sie wollen, Sie kцnnen mit mir tun, was Sie wollen, ich werde glьcklich sein, wenn ich von hier fьr mцglichst lange Zeit fort bin, am liebsten allerdings fьr immer.« Sie streichelte noch K.s Hand, sprang auf und lief zum Fenster. Unwillkьrlich haschte noch K. nach ihrer Hand ins Leere. Die Frau verlockte ihn wirklich, er fand trotz allem Nachdenken keinen haltbaren Grund dafьr, warum er der Verlockung nicht nachgeben sollte. Den flьchtigen Einwand, daЯ ihn die Frau fьr das Gericht einfange, wehrte er ohne Mьhe ab. Auf welche Weise konnte sie ihn einfangen? Blieb er nicht immer so frei, daЯ er das ganze Gericht, wenigstens soweit es ihn betraf, sofort zerschlagen konnte?
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