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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

Unten vor der Bank wartet meine arme Braut auf den Ausgang, ich schдme mich ja so erbдrmlich.« Er trocknete mit K.s Rock sein von Trдnen ganz ьberlaufenes Gesicht. »Ich warte nicht mehr«, sagte der Prьgler, faЯte die Rute mit beiden Hдnden und hieb auf Franz ein, wдhrend Willem in einem Winkel kauerte und heimlich zusah, ohne eine Kopfwendung zu wagen. Da erhob sich der Schrei, den Franz ausstieЯ, ungeteilt und unverдnderlich, er schien nicht von einem Menschen, sondern von einem gemarterten Instrument zu stammen, der ganze Korridor tцnte von ihm, das ganze Haus muЯte es hцren. »Schrei nicht«, rief K. er konnte sich nicht zurьckhalten, und wдhrend er gespannt in die Richtung sah, aus der die Diener kommen muЯten, stieЯ er an Franz, nicht stark, aber doch stark genug, daЯ der Besinnungslose niederfiel und im Krampf mit den Hдnden den Boden absuchte; den Schlдgen entging er aber nicht, die Rute fand ihn auch auf der Erde; wдhrend er sich unter ihr wдlzte, schwang sich ihre Spitze regelmдЯig auf und ab. Und schon erschien in der Ferne ein Diener und ein paar Schritte hinter ihm ein zweiter. K. hatte schnell die Tьr zugeworfen, war zu einem der Hoffenster getreten und цffnete es. Das Schreien hatte vollstдndig aufgehцrt. Um die Diener nicht herankommen zu lassen, rief er: »Ich bin es!« »Guten Abend, Herr Prokurist!« rief es zurьck. »Ist etwas geschehen?« »Nein, nein«, antwortete K., »es schreit nur ein Hund auf dem Hof.« Als die Diener sich doch nicht rьhrten, fьgte er hinzu: »Sie kцnnen bei Ihrer Arbeit bleiben.« Um sich in kein Gesprдch mit den Dienern einlassen zu mьssen, beugte er sich aus dem Fenster. Als er nach einem Weilchen wieder in den Korridor sah, waren sie schon weg. K. aber blieb nun beim Fenster, in die Rumpelkammer wagte er nicht zu gehen und nach Hause gehen wollte er auch nicht. Es war ein kleiner viereckiger Hof, in den er hinuntersah, ringsherum waren Bьrorдume untergebracht, alle Fenster waren jetzt schon dunkel, nur die obersten fingen einen Widerschein des Mondes auf. K. suchte angestrengt mit den Blicken in das Dunkel eines Hofwinkels einzudringen, in dem einige Handkarren ineinandergefahren waren. Es quдlte ihn, daЯ es ihm nicht gelungen war, das Prьgeln zu verhindern, aber es war nicht seine Schuld, daЯ es nicht gelungen war, hдtte Franz nicht geschrien – gewiЯ, es muЯte sehr weh getan haben, aber in einem entscheidenden Augenblick muЯ man sich beherrschen – hдtte er nicht geschrien, so hдtte K., wenigstens sehr wahrscheinlich, noch ein Mittel gefunden, den Prьgler zu ьberreden. Wenn die ganze unterste Beamtenschaft Gesindel war, warum hдtte gerade der Prьgler, der das unmenschlichste Amt hatte, eine Ausnahme machen sollen, K. hatte auch gut beobachtet, wie ihm beim Anblick der Banknote die Augen geleuchtet hatten, er hatte mit dem Prьgeln offenbar nur deshalb Ernst gemacht, um die Bestechungssumme noch ein wenig zu erhцhen. Und K. hдtte nicht gespart, es lag ihm wirklich daran, die Wдchter zu befreien; wenn er nun schon angefangen hatte, die Verderbnis dieses Gerichtswesens zu bekдmpfen, so war es selbstverstдndlich, daЯ er auch von dieser Seite eingriff. Aber in dem Augenblick, wo Franz zu schreien angefangen hatte, war natьrlich alles zu Ende. K. konnte nicht zulassen, daЯ die Diener und vielleicht noch alle mцglichen Leute kдmen und ihn in Unterhandlungen mit der Gesellschaft in der Rumpelkammer ьberraschten. Diese Aufopferung konnte wirklich niemand von K. verlangen. Wenn er das zu tun beabsichtigt hдtte, so wдre es ja fast einfacher gewesen, K. hдtte sich selbst ausgezogen und dem Prьgler als Ersatz fьr die Wдchter angeboten. Ьbrigens hдtte der Prьgler diese Vertretung gewiЯ nicht angenommen, da er dadurch, ohne einen Vorteil zu gewinnen, dennoch seine Pflicht schwer verletzt hдtte, und wahrscheinlich doppelt verletzt hдtte, denn K. muЯte wohl, solange er im Verfahren stand, fьr alle Angestellten des Gerichts unverletzlich sein. Allerdings konnten hier auch besondere Bestimmungen gelten. Jedenfalls hatte K. nichts anderes tun kцnnen, als die Tьr zuschlagen, obwohl dadurch auch jetzt noch fьr K. durchaus nicht jede Gefahr beseitigt blieb. DaЯ er noch zuletzt Franz einen StoЯ gegeben hatte, war bedauerlich und nur durch seine Aufregung zu entschuldigen.
In der Ferne hцrte er die Schritte der Diener; um ihnen nicht auffдllig zu werden, schloЯ er das Fenster und ging in der Richtung zur Haupttreppe. Bei der Tьr zur Rumpelkammer blieb er ein wenig stehen und horchte. Es war ganz still. Der Mann konnte die Wдchter totgeprьgelt haben, sie waren ja ganz in seine Macht gegeben. K. hatte schon die Hand nach der Klinke ausgestreckt, zog sie dann aber wieder zurьck. Helfen konnte er niemandem mehr, und die Diener muЯten gleich kommen; er gelobte sich aber, die Sache noch zur Sprache zu bringen und die wirklich Schuldigen, die hohen Beamten, von denen sich ihm noch keiner zu zeigen gewagt hatte, soweit es in seinen Krдften war, gebьhrend zu bestrafen. Als er die Freitreppe der Bank hinunterging, beobachtete er sorgfдltig alle Passanten, aber selbst in der weiteren Umgebung war kein Mдdchen zu sehen, das auf jemanden gewartet hдtte. Die Bemerkung Franzens, daЯ seine Braut auf ihn warte, erwies sich als eine allerdings verzeihliche Lьge, die nur den Zweck gehabt hatte, grцЯeres Mitleid zu erwecken.
Auch noch am nдchsten Tage kamen K. die Wдchter nicht aus dem Sinn; er war bei der Arbeit zerstreut und muЯte, um sie zu bewдltigen, noch ein wenig lдnger im Bьro bleiben als am Tag vorher. Als er auf dem Nachhausewege wieder an der Rumpelkammer vorbeikam, цffnete er sie wie aus Gewohnheit. Vor dem, was er statt des erwarteten Dunkels erblickte, wuЯte er sich nicht zu fassen. Alles war unverдndert, so wie er es am Abend vorher beim Цffnen der Tьr gefunden hatte. Die Drucksorten und Tintenflaschen gleich hinter der Schwelle, der Prьgler mit der Rute, die noch vollstдndig ausgezogenen Wдchter, die Kerze auf dem Regal, und die Wдchter begannen zu klagen und riefen: »Herr!« Sofort warf K. die Tьr zu und schlug mit den Fдusten gegen sie, als sei sie dann fester verschlossen. Fast weinend lief er zu den Dienern, die ruhig an den Kopiermaschinen arbeiteten und erstaunt in ihrer Arbeit innehielten. »Rдumt doch endlich die Rumpelkammer aus!« rief er. »Wir versinken ja im Schmutz!« Die Diener waren bereit, es am nдchsten Tag zu tun, K. nickte, jetzt spдt am Abend konnte er sie nicht mehr zu der Arbeit zwingen, wie er es eigentlich beabsichtigt hatte. Er setzte sich ein wenig, um die Diener ein Weilchen lang in der Nдhe zu behalten, warf einige Kopien durcheinander, wodurch er den Anschein zu erwecken glaubte, daЯ er sie ьberprьfe, und ging dann, da er einsah, daЯ die Diener nicht wagen wьrden, gleichzeitig mit ihm wegzugehen, mьde und gedankenlos nach Hause.

Sechstes Kapitel Der Onkel, Leni

Eines Nachmittags – K. war gerade vor dem PostabschluЯ sehr beschдftigt – drдngte sich zwischen zwei Dienern, die Schriftstьcke hineintrugen, K.s Onkel Karl, ein kleiner Grundbesitzer vom Lande, ins Zimmer. K. erschrak bei dem Anblick weniger, als er schon vor lдngerer Zeit bei der Vorstellung vom Kommen des Onkels erschrocken war. Der Onkel muЯte kommen, das stand bei K. schon etwa einen Monat lang fest. Schon damals hatte er ihn zu sehen geglaubt, wie er, ein wenig gebьckt, den eingedrьckten Panamahut in der Linken, die Rechte schon von weitem ihm entgegenstreckte und sie mit rьcksichtsloser Eile ьber den Schreibtisch hinreichte, alles umstoЯend, was ihm im Wege war. Der Onkel befand sich immer in Eile, denn er war von dem unglьcklichen Gedanken verfolgt, bei seinem immer nur eintдgigen Aufenthalt in der Hauptstadt mьsse er alles erledigen kцnnen, was er sich vorgenommen hatte, und dьrfte ьberdies auch kein gelegentlich sich darbietendes Gesprдch oder Geschдft oder Vergnьgen sich entgehen lassen. Dabei muЯte ihm K., der ihm als seinem gewesenen Vormund besonders verpflichtet war, in allem mцglichen behilflich sein und ihn auЯerdem bei sich ьbernachten lassen. »Das Gespenst vom Lande« pflegte er ihn zu nennen.
Gleich nach der BegrьЯung – sich in den Fauteuil zu setzen, wozu ihn K. einlud, hatte er keine Zeit – bat er K. um ein kurzes Gesprдch unter vier Augen. »Es ist notwendig«, sagte er, mьhselig schluckend, »zu meiner Beruhigung ist es notwendig.« K. schickte sofort die Diener aus dem Zimmer, mit der Weisung, niemand einzulassen. »Was habe ich gehцrt, Josef?« rief der Onkel, als sie allein waren, setzte sich auf den Tisch und stopfte unter sich, ohne hinzusehen, verschiedene Papiere, um besser zu sitzen. K. schwieg, er wuЯte, was kommen wьrde, aber, plцtzlich von der anstrengenden Arbeit entspannt, wie er war, gab er sich zunдchst einer angenehmen Mattigkeit hin und sah durch das Fenster auf die gegenьberliegende StraЯenseite, von der von seinem Sitz aus nur ein kleiner, dreieckiger Ausschnitt zu sehen war, ein Stьck leerer Hдusermauer zwischen zwei Geschдftsauslagen. »Du schaust aus dem Fenster!« rief der Onkel mit erhobenen Armen, »um Himmels willen, Josef, antworte mir doch! Ist es wahr, kann es denn wahr sein?« »Lieber Onkel«, sagte K. und riЯ sich von seiner Zerstreutheit los, »ich weiЯ ja gar nicht, was du von mir willst.« »Josef«, sagte der Onkel warnend, »die Wahrheit hast du immer gesagt, soviel ich weiЯ. Soll ich deine letzten Worte als schlimmes Zeichen auffassen?« »Ich ahne ja, was du willst«, sagte K. folgsam, »du hast wahrscheinlich von meinem ProzeЯ gehцrt.« »So ist es«. antwortete der Onkel, langsam nickend, »ich habe von deinem ProzeЯ gehцrt.« »Von wem denn?« fragte K. »Erna hat es mir geschrieben«, sagte der Onkel, »sie hat ja keinen Verkehr mit dir, du kьmmerst dich leider nicht viel um sie, trotzdem hat sie es erfahren. Heute habe ich den Brief bekommen und bin natьrlich sofort hergefahren.
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