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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

« sagte K. »Ich habe mich bisher ganz abseits gehalten.« »Im allgemeinen verkehren sie nicht miteinander«, sagte der Kaufmann, »das wдre nicht mцglich, es sind ja so viele. Es gibt auch wenig gemeinsame Interessen. Wenn manchmal in einer Gruppe der Glaube an ein gemeinsames Interesse auftaucht, so erweist er sich bald als ein Irrtum. Gemeinsam lдЯt sich gegen das Gericht nichts durchsetzen. Jeder Fall wird fьr sich untersucht, es ist ja das sorgfдltigste Gericht. Gemeinsam kann man also nichts durchsetzen, nur ein einzelner erreicht manchmal etwas im geheimen; erst wenn es erreicht ist, erfahren es die anderen; keiner weiЯ, wie es geschehen ist. Es gibt also keine Gemeinsamkeit, man kommt zwar hie und da in den Wartezimmern zusammen, aber dort wird wenig besprochen. Die aberglдubischen Meinungen bestehen schon seit alters her und vermehren sich fцrmlich von selbst.« »Ich sah die Herren dort im Wartezimmer«, sagte K., »ihr Warten kam mir so nutzlos vor.« »Das Warten ist nicht nutzlos«, sagte der Kaufmann, »nutzlos ist nur das selbstдndige Eingreifen. Ich sagte schon, daЯ ich jetzt auЯer diesem noch fьnf Advokaten habe. Man sollte doch glauben – ich selbst glaubte es zuerst –, jetzt kцnnte ich ihnen die Sache vollstдndig ьberlassen. Das wдre aber ganz falsch. Ich kann sie ihnen weniger ьberlassen, als wenn ich nur einen hдtte. Sie verstehen das wohl nicht?« »Nein«, sagte K. und legte, um den Kaufmann an seinem allzu schnellen Reden zu hindern, die Hand beruhigend auf seine Hand, »ich mцchte Sie nur bitten, ein wenig langsamer zu reden, es sind doch lauter fьr mich sehr wichtige Dinge, und ich kann Ihnen nicht recht folgen.« »Gut, daЯ Sie mich daran erinnern«, sagte der Kaufmann, »Sie sind ja ein Neuer, ein Junger. Ihr ProzeЯ ist ein halbes Jahr alt, nicht wahr? Ja, ich habe davon gehцrt. Ein so junger ProzeЯ! Ich aber habe diese Dinge schon unzдhligemal durchgedacht, sie sind mir das Selbstverstдndlichste auf der Welt.« »Sie sind wohl froh, daЯ Ihr ProzeЯ schon so weit fortgeschritten ist?« fragte K., er wollte nicht geradezu fragen, wie die Angelegenheiten des Kaufmanns stьnden. Er bekam aber auch keine deutliche Antwort. »Ja, ich habe meinen ProzeЯ fьnf Jahre lang fortgewдlzt«, sagte der Kaufmann und senkte den Kopf, »es ist keine kleine Leistung.« Dann schwieg er ein Weilchen. K. horchte, ob Leni nicht schon komme. Einerseits wollte er nicht, daЯ sie komme, denn er hatte noch vieles zu fragen und wollte auch nicht von Leni in diesem vertraulichen Gesprдch mit dem Kaufmann angetroffen werden, andererseits aber дrgerte er sich darьber, daЯ sie trotz seiner Anwesenheit so lange beim Advokaten blieb, viel lдnger, als zum Reichen der Suppe nцtig war. »Ich erinnere mich noch an die Zeit genau«, begann der Kaufmann wieder, und K. war gleich voll Aufmerksamkeit, »als mein ProzeЯ etwa so alt war wie jetzt Ihr ProzeЯ. Ich hatte damals nur diesen Advokaten, war aber nicht sehr mit ihm zufrieden.« Hier erfahre ich ja alles, dachte K. und nickte lebhaft mit dem Kopf, als kцnne er dadurch den Kaufmann aufmuntern, alles Wissenswerte zu sagen. »Mein ProzeЯ«, fuhr der Kaufmann fort, »kam nicht vorwдrts, es fanden zwar Untersuchungen statt, ich kam auch zu jeder, sammelte Material, erlegte alle meine Geschдftsbьcher bei Gericht, was, wie ich spдter erfuhr, nicht einmal nцtig war, ich lief immer wieder zum Advokaten, er brachte auch verschiedene Eingaben ein –.« »Verschiedene Eingaben?« fragte K. »Ja, gewiЯ«, sagte der Kaufmann. »Das ist mir sehr wichtig«, sagte K., »in meinem Fall arbeitet er noch immer an der ersten Eingabe. Er hat noch nichts getan. Ich sehe jetzt, er vernachlдssigt mich schдndlich.« »DaЯ die Eingabe noch nicht fertig ist, kann verschiedene berechtigte Grьnde haben«, sagte der Kaufmann. »Ьbrigens hatte es sich bei meinen Eingaben spдter gezeigt, daЯ sie ganz wertlos waren. Ich habe sogar eine durch das Entgegenkommen eines Gerichtsbeamten selbst gelesen. Sie war zwar gelehrt, aber eigentlich inhaltlos. Vor allem sehr viel Latein, das ich nicht verstehe, dann seitenlange allgemeine Anrufungen des Gerichtes, dann Schmeicheleien fьr einzelne bestimmte Beamte, die zwar nicht genannt waren, die aber ein Eingeweihter jedenfalls erraten muЯte, dann Selbstlob des Advokaten, wobei er sich auf geradezu hьndische Weise vor dem Gericht demьtigte, und endlich Untersuchungen von Rechtsfдllen aus alter Zeit, die dem meinigen дhnlich sein sollten. Diese Untersuchungen waren allerdings, soweit ich ihnen folgen konnte, sehr sorgfдltig gemacht. Ich will auch mit diesem allen kein Urteil ьber die Arbeit des Advokaten abgeben, auch war die Eingabe, die ich gelesen habe, nur eine unter mehreren, jedenfalls aber, und davon will ich jetzt sprechen, konnte ich damals in meinem ProzeЯ keinen Fortschritt sehen.« »Was fьr einen Fortschritt wollten Sie denn sehen?« fragte K. »Sie fragen ganz vernьnftig«, sagte der Kaufmann lдchelnd, »man kann in diesem Verfahren nur selten Fortschritte sehen. Aber damals wuЯte ich das nicht. Ich bin Kaufmann und war es damals noch viel mehr als heute, ich wollte greifbare Fortschritte haben, das Ganze sollte sich zum Ende neigen oder wenigstens den regelrechten Aufstieg nehmen. Statt dessen gab es nur Einvernehmungen, die meist den gleichen Inhalt hatten; die Antworten hatte ich schon bereit wie eine Litanei; mehrmals in der Woche kamen Gerichtsboten in mein Geschдft, in meine Wohnung oder wo sie mich sonst antreffen konnten; das war natьrlich stцrend (heute ist es wenigstens in dieser Hinsicht viel besser, der telephonische Anruf stцrt viel weniger), auch unter meinen Geschдftsfreunden, insbesondere aber unter meinen Verwandten, fingen Gerьchte von meinem ProzeЯ sich zu verbreiten an, Schдdigungen gab es also von allen Seiten, aber nicht das geringste Anzeichen sprach dafьr, daЯ auch nur die erste Gerichtsverhandlung in der nдchsten Zeit stattfinden wьrde. Ich ging also zum Advokaten und beklagte mich. Er gab mir zwar lange Erklдrungen, lehnte es aber entschieden ab, etwas in meinem Sinne zu tun, niemand habe EinfluЯ auf die Festsetzung der Verhandlung, in einer Eingabe darauf zu dringen – wie ich es verlangte –, sei einfach unerhцrt und wьrde mich und ihn verderben. Ich dachte: Was dieser Advokat nicht will oder kann, wird ein anderer wollen und kцnnen. Ich sah mich also nach anderen Advokaten um. Ich will es gleich vorwegnehmen: keiner hat die Festsetzung der Hauptverhandlung verlangt oder durchgesetzt, es ist, allerdings mit einem Vorbehalt, von dem ich noch sprechen werde, wirklich unmцglich, hinsichtlich dieses Punktes hat mich also dieser Advokat nicht getдuscht; im ьbrigen aber hatte ich es nicht zu bedauern, mich noch an andere Advokaten gewendet zu haben. Sie dьrften wohl von Dr. Huld auch schon manches ьber die Winkeladvokaten gehцrt haben, er hat sie Ihnen wahrscheinlich als sehr verдchtlich dargestellt, und das sind sie wirklich. Allerdings unterlдuft ihm immer, wenn er von ihnen spricht und sich und seine Kollegen zu ihnen in Vergleich setzt, ein kleiner Fehler, auf den ich Sie ganz nebenbei auch aufmerksam machen will. Er nennt dann immer die Advokaten seines Kreises zur Unterscheidung die ›groЯen Advokaten‹. Das ist falsch, es kann sich natьrlich jeder ›groЯ‹ nennen, wenn es ihm beliebt, in diesem Fall aber entscheidet doch nur der Gerichtsgebrauch. Nach diesem gibt es nдmlich auЯer den Winkeladvokaten noch kleine und groЯe Advokaten. Dieser Advokat und seine Kollegen sind jedoch nur die kleinen Advokaten, die groЯen Advokaten aber, von denen ich nur gehцrt und die ich nie gesehen habe, stehen im Rang unvergleichlich hцher ьber den kleinen Advokaten als diese ьber den verachteten Winkeladvokaten.« »Die groЯen Advokaten?« fragte K. »Wer sind denn die? Wie kommt man zu ihnen?« »Sie haben also noch nie von ihnen gehцrt«, sagte der Kaufmann. »Es gibt kaum einen Angeklagten, der nicht, nachdem er von ihnen erfahren hat, eine Zeitlang von ihnen trдumen wьrde. Lassen Sie sich lieber nicht dazu verfьhren. Wer die groЯen Advokaten sind, weiЯ ich nicht, und zu ihnen kommen kann man wohl gar nicht. Ich kenne keinen Fall, von dem sich mit Bestimmtheit sagen lieЯe, daЯ sie eingegriffen hдtten. Manchen verteidigen sie, aber durch eigenen Willen kann man das nicht erreichen, sie verteidigen nur den, den sie verteidigen wollen. Die Sache, deren sie sich annehmen, muЯ aber wohl ьber das niedrige Gericht schon hinausgekommen sein. Im ьbrigen ist es besser, nicht an sie zu denken, denn sonst kommen einem die Besprechungen mit den anderen Advokaten, deren Ratschlдge und deren Hilfeleistungen so widerlich und nutzlos vor, ich habe es selbst erfahren, daЯ man am liebsten alles wegwerfen, sich zu Hause ins Bett legen und von nichts mehr hцren wollte. Das wдre aber natьrlich wieder das Dьmmste, auch hдtte man im Bett nicht lange Ruhe.« »Sie dachten damals also nicht an die groЯen Advokaten?« fragte K. »Nicht lange«, sagte der Kaufmann und lдchelte wieder, »vollstдndig vergessen kann man sie leider nicht, besonders die Nacht ist solchen Gedanken gьnstig. Aber damals wollte ich ja sofortige Erfolge, ich ging daher zu den Winkeladvokaten.«
»Wie ihr hier beieinander sitzt!« rief Leni, die mit der Tasse zurьckgekommen war und in der Tьr stehenblieb. Sie saЯen wirklich eng beisammen, bei der kleinsten Wendung muЯten sie mit den Kцpfen aneinanderstoЯen, der Kaufmann, der, abgesehen von seiner Kleinheit, auch noch den Rьcken gekrьmmt hielt, hatte K. gezwungen, sich auch tief zu bьcken, wenn er alles hцren wollte. »Noch ein Weilchen!« rief K. Leni abwehrend zu und zuckte ungeduldig mit der Hand, die er noch immer auf des Kaufmanns Hand liegen hatte. »Er wollte, daЯ ich ihm von meinem ProzeЯ erzдhle«, sagte der Kaufmann zu Leni. »Erzдhle nur, erzдhle«, sagte diese.
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