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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

So bewirkte also die Methode des Advokaten, welcher K. glьcklicherweise nicht lange genug ausgesetzt gewesen war, daЯ der Klient schlieЯlich die ganze Welt vergaЯ und nur auf diesem Irrweg zum Ende des Prozesses sich fortzuschleppen hoffte. Das war kein Klient mehr, das war der Hund des Advokaten. Hдtte ihm dieser befohlen, unter das Bett wie in eine Hundehьtte zu kriechen und von dort aus zu bellen, er hдtte es mit Lust getan. Als sei K. beauftragt, alles, was hier gesprochen wurde, genau in sich aufzunehmen, an einem hцheren Ort die Anzeige davon zu erstatten und einen Bericht abzulegen, hцrte er prьfend und ьberlegen zu. »Was hat er wдhrend des ganzen Tages getan?« fragte der Advokat. »Ich habe ihn«, sagte Leni, »damit er mich bei der Arbeit nicht stцre, in dem Dienstmдdchenzimmer eingesperrt, wo er sich ja gewцhnlich aufhдlt. Durch die Lьcke konnte ich von Zeit zu Zeit nachsehen, was er machte. Er kniete immer auf dem Bett, hatte die Schriften, die du ihm geliehen hast, auf dem Fensterbrett aufgeschlagen und las in ihnen. Das hat einen guten Eindruck auf mich gemacht; das Fenster fьhrt nдmlich nur in einen Luftschacht und gibt fast kein Licht. DaЯ Block trotzdem las, zeigte mir, wie folgsam er ist.« »Es freut mich, das zu hцren«, sagte der Advokat. »Hat er aber auch mit Verstдndnis gelesen?« Block bewegte wдhrend dieses Gesprдchs unaufhцrlich die Lippen, offenbar formulierte er die Antworten, die er von Leni erhoffte. »Darauf kann ich natьrlich«, sagte Leni, »nicht mit Bestimmtheit antworten. Jedenfalls habe ich gesehen, daЯ er grьndlich las. Er hat den ganzen Tag ьber die gleiche Seite gelesen und beim Lesen den Finger die Zeilen entlanggefьhrt. Immer, wenn ich zu ihm hineinsah, hat er geseufzt, als mache ihm das Lesen viel Mьhe. Die Schriften, die du ihm geliehen hast, sind wahrscheinlich schwer verstдndlich.« »Ja«, sagte der Advokat, »das sind sie allerdings. Ich glaube auch nicht, daЯ er etwas von ihnen versteht. Sie sollen ihm nur eine Ahnung davon geben, wie schwer der Kampf ist, den ich zu seiner Verteidigung fьhre. Und fьr wen fьhre ich diesen schweren Kampf? Fьr – es ist fast lдcherlich, es auszusprechen – fьr Block. Auch was das bedeutet, soll er begreifen lernen. Hat er ununterbrochen studiert?« »Fast ununterbrochen«, antwortete Leni, »nur einmal hat er mich um Wasser zum Trinken gebeten. Da habe ich ihm ein Glas durch die Luke gereicht. Um acht Uhr habe ich ihn dann herausgelassen und ihm etwas zu essen gegeben.« Block streifte K. mit einem Seitenblick, als werde hier Rьhmendes von ihm erzдhlt und mьsse auch auf K. Eindruck machen. Er schien jetzt gute Hoffnungen zu haben, bewegte sich freier und rьckte auf den Knien hin und her. Desto deutlicher war es, wie er unter den folgenden Worten des Advokaten erstarrte: »Du lobst ihn«, sagte der Advokat. »Aber gerade das macht es mir schwer, zu reden. Der Richter hatte sich nдmlich nicht gьnstig ausgesprochen, weder ьber Block selbst, noch ьber seinen ProzeЯ.« »Nicht gьnstig?« fragte Leni. »Wie ist das mцglich?« Block sah sie mit einem so gespannten Blick an, als traue er ihr die Fдhigkeit zu, jetzt noch die lдngst ausgesprochenen Worte des Richters zu seinen Gunsten zu wenden. »Nicht gьnstig«, sagte der Advokat. »Er war sogar unangenehm berьhrt, als ich von Block zu sprechen anfing. ›Reden Sie nicht von Block‹, sagte er. ›Er ist mein Klient‹, sagte ich. ›Sie lassen sich miЯbrauchen‹, sagte er. ›Ich halte seine Sache nicht fьr verloren‹, sagte ich. ›Sie lassen sich miЯbrauchen‹, wiederholte er. ›Ich glaube es nicht‹, sagte ich. ›Block ist im ProzeЯ fleiЯig und immer hinter seiner Sache her. Er wohnt fast bei mir, um immer auf dem laufenden zu sein. Solchen Eifer findet man nicht immer. GewiЯ, er ist persцnlich nicht angenehm, hat hдЯliche Umgangsformen und ist schmutzig, aber in prozessualer Hinsicht ist er untadelhaft.‹ Ich sagte untadelhaft, ich ьbertrieb absichtlich. Darauf sagte er: ›Block ist bloЯ schlau. Er hat viel Erfahrung angesammelt und versteht es, den ProzeЯ zu verschleppen. Aber seine Unwissenheit ist noch viel grцЯer als seine Schlauheit. Was wьrde er wohl dazu sagen, wenn er erfьhre, daЯ sein ProzeЯ noch gar nicht begonnen hat, wenn man ihm sagte, daЯ noch nicht einmal das Glockenzeichen zum Beginn des Prozesses gegeben ist.‹ Ruhig, Block«, sagte der Advokat, denn Block begann sich gerade auf unsicheren Knien zu erheben und wollte offenbar um Aufklдrung bitten. Es war jetzt das erstemal, daЯ sich der Advokat mit ausfьhrlichen Worten geradezu an Block wendete. Mit mьden Augen sah er halb ziellos, halb zu Block hinunter, der unter diesem Blick wieder langsam in die Knie zurьcksank. »Diese ДuЯerung des Richters hat fьr dich gar keine Bedeutung«, sagte der Advokat. »Erschrick doch nicht bei jedem Wort. Wenn sich das wiederholt, werde ich dir gar nichts mehr verraten. Man kann keinen Satz beginnen, ohne daЯ du einen anschaust, als ob jetzt dein Endurteil kдme. Schдme dich hier vor meinem Klienten! Auch erschьtterst du das Vertrauen, das er in mich setzt. Was willst du denn? Noch lebst du, noch stehst du unter meinem Schutz. Sinnlose Angst! Du hast irgendwo gelesen, daЯ das Endurteil in manchen Fдllen unversehens komme, aus beliebigem Munde, zu beliebiger Zeit. Mit vielen Vorbehalten ist das allerdings wahr, ebenso wahr aber ist es, daЯ mich deine Angst anwidert und daЯ ich darin einen Mangel des notwendigen Vertrauens sehe. Was habe ich denn gesagt? Ich habe die ДuЯerung eines Richters wiedergegeben. Du weiЯt, die verschiedenen Ansichten hдufen sich um das Verfahren bis zur Undurchdringlichkeit. Dieser Richter zum Beispiel nimmt den Anfang des Verfahrens zu einem anderen Zeitpunkt an als ich. Ein Meinungsunterschied, nichts weiter. In einem gewissen Stadium des Prozesses wird nach altem Brauch ein Glockenzeichen gegeben. Nach der Ansicht dieses Richters beginnt damit der ProzeЯ. Ich kann dir jetzt nicht alles sagen, was dagegen spricht, du wьrdest es auch nicht verstehen, es genьge dir, daЯ viel dagegen spricht.« Verlegen fuhr Block unten mit den Fingern durch das Fell des Bettvorlegers, die Angst wegen des Ausspruchs des Richters lieЯ ihn zeitweise die eigene Untertдnigkeit gegenьber dem Advokaten vergessen, er dachte dann nur an sich und drehte die Worte des Richters nach allen Seiten. »Block«, sagte Leni in warnendem Ton und zog ihn am Rockkragen ein wenig in die Hцhe. »LaЯ jetzt das Fell und hцre dem Advokaten zu.«
(Dieses Kapitel wurde nicht vollendet)

Neuntes Kapitel Im Dom

K. bekam den Auftrag, einem italienischen Geschдftsfreund der Bank, der fьr sie sehr wichtig war und sich zum erstenmal in dieser Stadt aufhielt, einige Kunstdenkmдler zu zeigen. Es war ein Auftrag, den er zu anderer Zeit gewiЯ fьr ehrend gehalten hдtte, den er aber jetzt, da er nur mit groЯer Anstrengung sein Ansehen in der Bank noch wahren konnte, widerwillig ьbernahm. Jede Stunde, die er dem Bьro entzogen wurde, machte ihm Kummer; er konnte zwar die Bьrozeit bei weitem nicht mehr so ausnьtzen wie frьher, er brachte manche Stunden nur unter dem notdьrftigsten Anschein wirklicher Arbeit hin, aber desto grцЯer waren seine Sorgen, wenn er nicht im Bьro war. Er glaubte dann zu sehen, wie der Direktor-Stellvertreter, der ja immer auf der Lauer gewesen war, von Zeit zu Zeit in sein Bьro kam, sich an seinen Schreibtisch setzte, seine Schriftstьcke durchsuchte, Parteien, mit denen K. seit Jahren fast befreundet gewesen war, empfing und ihm abspenstig machte, ja vielleicht sogar Fehler aufdeckte, von denen sich K. wдhrend der Arbeit jetzt immer aus tausend Richtungen bedroht sah und die er nicht mehr vermeiden konnte. Wurde er daher einmal, sei es in noch so auszeichnender Weise, zu einem Geschдftsweg oder gar zu einer kleinen Reise beauftragt – solche Auftrдge hatten sich in der letzten Zeit ganz zufдllig gehдuft –, dann lag immerhin die Vermutung nahe, daЯ man ihn fьr ein Weilchen aus dem Bьro entfernen und seine Arbeit ьberprьfen wolle oder wenigstens, daЯ man im Bьro ihn fьr leicht entbehrlich halte. Die meisten dieser Auftrдge hдtte er ohne Schwierigkeiten ablehnen kцnnen, aber er wagte es nicht, denn, wenn seine Befьrchtung auch nur im geringsten begrьndet war, bedeutete die Ablehnung des Auftrags Gestдndnis seiner Angst. Aus diesem Grunde nahm er solche Auftrдge scheinbar gleichmьtig hin und verschwieg sogar, als er eine anstrengende zweitдgige Geschдftsreise machen sollte, eine ernstliche Verkьhlung, um sich nur nicht der Gefahr auszusetzen, mit Berufung auf das gerade herrschende regnerische Herbstwetter von der Reise abgehalten zu werden. Als er von dieser Reise mit wьtenden Kopfschmerzen zurьckkehrte, erfuhr er, daЯ er dazu bestimmt sei, am nдchsten Tag den italienischen Geschдftsfreund zu begleiten. Die Verlockung, sich wenigstens dieses eine Mal zu weigern, war sehr groЯ, vor allem war das, was man ihm hier zugedacht hatte, keine unmittelbar mit dem Geschдft zusammenhдngende Arbeit, aber die Erfьllung dieser gesellschaftlichen Pflicht gegenьber dem Geschдftsfreund war an sich zweifellos wichtig genug, nur nicht fьr K., der wohl wuЯte, daЯ er sich nur durch Arbeitserfolge erhalten kцnne und daЯ es, wenn ihm das nicht gelдnge, vollstдndig wertlos war, wenn er diesen Italiener unerwarteterweise sogar bezaubern sollte; er wollte nicht einmal fьr einen Tag aus dem Bereich der Arbeit geschoben werden, denn die Furcht, nicht mehr zurьckgelassen zu werden, war zu groЯ, eine Furcht, die er sehr genau als ьbertrieben erkannte, die ihn aber doch beengte. In diesem Fall allerdings war es fast unmцglich, einen annehmbaren Einwand zu erfinden. K.s Kenntnis des Italienischen war zwar nicht sehr groЯ, aber immerhin genьgend;
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