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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

Ich wiederhole, es ist hierfьr kein solcher Kraftaufwand nцtig wie bei der Erreichung eines scheinbaren Freispruchs, wohl aber ist eine viel grцЯere Aufmerksamkeit nцtig. Man darf den ProzeЯ nicht aus den Augen verlieren, man muЯ zu dem betreffenden Richter in regelmдЯigen Zwischenrдumen und auЯerdem bei besonderen Gelegenheiten gehen und ihn auf jede Weise sich freundlich zu erhalten suchen; ist man mit dem Richter nicht persцnlich bekannt, so muЯ man durch bekannte Richter ihn beeinflussen lassen, ohne daЯ man etwa deshalb die unmittelbaren Besprechungen aufgeben dьrfte. Versдumt man in dieser Hinsicht nichts, so kann man mit genьgender Bestimmtheit annehmen, daЯ der ProzeЯ ьber sein erstes Stadium nicht hinauskommt. Der ProzeЯ hцrt zwar nicht auf, aber der Angeklagte ist vor einer Verurteilung fast ebenso gesichert, wie wenn er frei wдre. Gegenьber dem scheinbaren Freispruch hat die Verschleppung den Vorteil, daЯ die Zukunft des Angeklagten weniger unbestimmt ist, er bleibt vor dem Schrecken der plцtzlichen Verhaftungen bewahrt und muЯ nicht fьrchten, etwa gerade zu Zeiten, wo seine sonstigen Umstдnde dafьr am wenigsten gьnstig sind, die Anstrengungen und Aufregungen auf sich nehmen zu mьssen, welche mit der Erreichung des scheinbaren Freispruchs verbunden sind. Allerdings hat auch die Verschleppung fьr den Angeklagten gewisse Nachteile, die man nicht unterschдtzen darf. Ich denke hierbei nicht daran, daЯ hier der Angeklagte niemals frei ist, das ist er ja auch bei der scheinbaren Freisprechung im eigentlichen Sinne nicht. Es ist ein anderer Nachteil. Der ProzeЯ kann nicht stillstehen, ohne daЯ wenigstens scheinbare Grьnde dafьr vorliegen. Es muЯ deshalb im ProzeЯ nach auЯen hin etwas geschehen. Es mьssen also von Zeit zu Zeit verschiedene Anordnungen getroffen werden, der Angeklagte muЯ verhцrt werden, Untersuchungen mьssen stattfinden und so weiter. Der ProzeЯ muЯ eben immerfort in dem kleinen Kreis, auf den er kьnstlich eingeschrдnkt worden ist, gedreht werden. Das bringt natьrlich gewisse Unannehmlichkeiten fьr den Angeklagten mit sich, die Sie sich aber wiederum nicht zu schlimm vorstellen dьrfen. Es ist ja alles nur дuЯerlich, die Verhцre beispielsweise sind also nur ganz kurz, wenn man einmal keine Zeit oder keine Lust hat, hinzugehen, darf man sich entschuldigen, man kann sogar bei gewissen Richtern die Anordnungen fьr eine lange Zeit im voraus gemeinsam festsetzen, es handelt sich im Wesen nur darum, daЯ man, da man Angeklagter ist, von Zeit zu Zeit bei seinem Richter sich meldet.« Schon wдhrend der letzten Worte hatte K. den Rock ьber den Arm gelegt und war aufgestanden. »Er steht schon auf!« rief es sofort drauЯen vor der Tьr. »Sie wollen schon fortgehen?« fragte der Maler, der auch aufgestanden war. »Es ist gewiЯ die Luft, die Sie von hier vertreibt. Es ist mir sehr peinlich. Ich hдtte Ihnen auch noch manches zu sagen. Ich muЯte mich ganz kurz fassen. Ich hoffe aber, verstдndlich gewesen zu sein.« »O ja«, sagte K., dem von der Anstrengung, mit der er sich zum Zuhцren gezwungen hatte, der Kopf schmerzte. Trotz dieser Bestдtigung sagte der Maler, alles noch einmal zusammenfassend, als wolle er K. auf den Heimweg einen Trost mitgeben: »Beide Methoden haben das Gemeinsame, daЯ sie eine Verurteilung des Angeklagten verhindern.« »Sie verhindern aber auch die wirkliche Freisprechung«, sagte K. leise, als schдme er sich, das erkannt zu haben. »Sie haben den Kern der Sache erfaЯt«, sagte der Maler schnell. K. legte die Hand auf seinen Winterrock, konnte sich aber nicht einmal entschlieЯen, den Rock anzuziehen. Am liebsten hдtte er alles zusammengepackt und wдre damit an die frische Luft gelaufen. Auch die Mдdchen konnten ihn nicht dazu bewegen, sich anzuziehen, obwohl sie, verfrьht, einander schon zuriefen, daЯ er sich anziehe. Dem Maler lag daran, K.s Stimmung irgendwie zu deuten, er sagte deshalb: »Sie haben sich wohl hinsichtlich meiner Vorschlдge noch nicht entschieden. Ich billige das. Ich hдtte Ihnen sogar davon abgeraten, sich sofort zu entscheiden. Die Vorteile und Nachteile sind haarfein. Man muЯ alles genau abschдtzen. Allerdings darf man auch nicht zuviel Zeit verlieren.« »Ich werde bald wiederkommen«, sagte K., der in einem plцtzlichen EntschluЯ den Rock anzog, den Mantel ьber die Schulter warf und zur Tьr eilte, hinter der jetzt die Mдdchen zu schreien anfingen. K. glaubte, die schreienden Mдdchen durch die Tьr zu sehen. »Sie mьssen aber Wort halten«, sagte der Maler, der ihm nicht gefolgt war, »sonst komme ich in die Bank, um selbst nachzufragen.« »Sperren Sie doch die Tьr auf«, sagte K. und riЯ an der Klinke, die die Mдdchen, wie er an dem Gegendruck merkte, drauЯen festhielten. »Wollen Sie von den Mдdchen belдstigt werden?« fragte der Maler. »Benьtzen Sie doch lieber diesen Ausgang«, und er zeigte auf die Tьr hinter dem Bett. K. war damit einverstanden und sprang zum Bett zurьck. Aber statt die Tьr dort zu цffnen, kroch der Maler unter das Bett und fragte von unten: »Nur noch einen Augenblick; wollen Sie nicht noch ein Bild sehen, das ich Ihnen verkaufen kцnnte?« K. wollte nicht unhцflich sein, der Maler hatte sich wirklich seiner angenommen und versprochen, ihm weiterhin zu helfen, auch war infolge der VergeЯlichkeit K.s ьber die Entlohnung fьr die Hilfe noch gar nicht gesprochen worden, deshalb konnte ihn K. jetzt nicht abweisen und lieЯ sich das Bild zeigen, wenn er auch vor Ungeduld zitterte, aus dem Atelier wegzukommen. Der Maler zog unter dem Bett einen Haufen ungerahmter Bilder hervor, die so mit Staub bedeckt waren, daЯ dieser, als ihn der Maler vom obersten Bild wegzublasen suchte, lдngere Zeit atemraubend K. vor den Augen wirbelte. »Eine Heidelandschaft«, sagte der Maler und reichte K. das Bild. Es stellte zwei schwache Bдume dar, die weit voneinander entfernt im dunklen Gras standen. Im Hintergrund war ein vielfarbiger Sonnenuntergang. »Schцn«, sagte K., »ich kaufe es.« K. hatte unbedacht sich so kurz geдuЯert, er war daher froh, als der Maler, statt dies ьbelzunehmen, ein zweites Bild vom Boden aufhob. »Hier ist ein Gegenstьck zu diesem Bild«, sagte der Maler. Es mochte als Gegenstьck beabsichtigt sein, es war aber nicht der geringste Unterschied gegenьber dem ersten Bild zu merken, hier waren die Bдume, hier das Gras und dort der Sonnenuntergang. Aber K. lag wenig daran. »Es sind schцne Landschaften«, sagte er, »ich kaufe beide und werde sie in meinem Bьro aufhдngen.« »Das Motiv scheint Ihnen zu gefallen«, sagte der Maler und holte ein drittes Bild herauf, »es trifft sich gut, daЯ ich noch ein дhnliches Bild hier habe.« Es war aber nicht дhnlich, es war vielmehr die vцllig gleiche Heidelandschaft. Der Maler nьtzte diese Gelegenheit, alte Bilder zu verkaufen, gut aus. »Ich nehme auch dieses noch«, sagte K. »Wieviel kosten die drei Bilder?« »Darьber werden wir nдchstens sprechen«, sagte der Maler. »Sie haben jetzt Eile, und wir bleiben doch in Verbindung. Im ьbrigen freut es mich, daЯ Ihnen die Bilder gefallen, ich werde Ihnen alle Bilder mitgeben, die ich hier unten habe. Es sind lauter Heidelandschaften, ich habe schon viele Heidelandschaften gemalt. Manche Leute weisen solche Bilder ab, weil sie zu dьster sind, andere aber, und Sie gehцren zu ihnen, lieben gerade das Dьstere.« Aber K. hatte jetzt keinen Sinn fьr die beruflichen Erfahrungen des Bettelmalers. »Packen Sie alle Bilder ein!« rief er, dem Maler in die Rede fallend, »morgen kommt mein Diener und wird sie holen.« »Es ist nicht nцtig«, sagte der Maler. »Ich hoffe, ich werden Ihnen einen Trдger verschaffen kцnnen, der gleich mit Ihnen gehen wird.« Und er beugte sich endlich ьber das Bett und sperrte die Tьr auf. »Steigen Sie ohne Scheu auf das Bett«, sagte der Maler, »das tut jeder, der hier hereinkommt.« K. hдtte auch ohne diese Aufforderung keine Rьcksicht genommen, er hatte sogar schon einen FuЯ mitten auf das Federbett gesetzt, da sah er durch die offene Tьr hinaus und zog den FuЯ wieder zurьck. »Was ist das?« fragte er den Maler. »Worьber staunen Sie?« fragte dieser, seinerseits staunend. »Es sind die Gerichtskanzleien. WuЯten Sie nicht, daЯ hier Gerichtskanzleien sind? Gerichtskanzleien sind doch fast auf jedem Dachboden, warum sollten sie gerade hier fehlen? Auch mein Atelier gehцrt eigentlich zu den Gerichtskanzleien, das Gericht hat es mir aber zur Verfьgung gestellt.« K. erschrak nicht so sehr darьber, daЯ er auch hier Gerichtskanzleien gefunden hatte, er erschrak hauptsдchlich ьber sich, ьber seine Unwissenheit in Gerichtssachen. Als eine Grundregel fьr das Verhalten eines Angeklagten erschien es ihm, immer vorbereitet zu sein, sich niemals ьberraschen zu lassen, nicht ahnungslos nach rechts zu schauen, wenn links der Richter neben ihm stand – und gerade gegen diese Grundregel verstieЯ er immer wieder. Vor ihm dehnte sich ein langer Gang, aus dem eine Luft wehte, mit der verglichen die Luft im Atelier erfrischend war. Bдnke waren zu beiden Seiten des Ganges aufgestellt, genau so wie im Wartezimmer der Kanzlei, die fьr K. zustдndig war. Es schienen genaue Vorschriften fьr die Einrichtung von Kanzleien zu bestehen. Augenblicklich war der Parteienverkehr hier nicht sehr groЯ. Ein Mann saЯ dort halb liegend, das Gesicht hatte er auf der Bank in seine Arme vergraben und schien zu schlafen; ein anderer stand im Halbdunkel am Ende des Ganges. K. stieg nun ьber das Bett, der Maler folgte ihm mit den Bildern. Sie trafen bald einen Gerichtsdiener – K. erkannte jetzt schon alle Gerichtsdiener an dem Goldknopf, den diese an ihrem Zivilanzug unter den gewцhnlichen Knцpfen hatten – und der Maler gab ihm den Auftrag, K. mit den Bildern zu begleiten. K. wankte mehr, als er ging, das Taschentuch hielt er an den Mund gedrьckt. Sie waren schon nahe am Ausgang, da stьrmten ihnen die Mдdchen entgegen, die also K.
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