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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

Vielleicht haben Sie schon einen ganz genauen Plan, und Titorelli kцnnte ihn stцren. Nein, dann gehen Sie natьrlich auf keinen Fall hin! Es kostet gewiЯ auch Ьberwindung, sich von einem solchen Burschen Ratschlдge geben zu lassen. Nun, wie Sie wollen. Hier ist das Empfehlungsschreiben und hier die Adresse.«
Enttдuscht nahm K. den Brief und steckte ihn in die Tasche. Selbst im gьnstigsten Falle war der Vorteil, den ihm die Empfehlung bringen konnte, unverhдltnismдЯig kleiner als der Schaden, der darin lag, daЯ der Fabrikant von seinem ProzeЯ wuЯte und daЯ der Maler die Nachricht weiterverbreitete. Er konnte sich kaum dazu zwingen, dem Fabrikanten, der schon auf dem Weg zur Tьr war, mit ein paar Worten zu danken. »Ich werde hingehen«, sagte er, als er sich bei der Tьr vom Fabrikanten verabschiedete, »oder ihm, da ich jetzt sehr beschдftigt bin, schreiben, er mцge einmal zu mir ins Bьro kommen.« »Ich wuЯte ja«, sagte der Fabrikant, »daЯ Sie den besten Ausweg finden wьrden. Allerdings dachte ich, daЯ Sie es lieber vermeiden wollen, Leute wie diesen Titorelli in die Bank einzuladen, um mit ihm hier ьber den ProzeЯ zu sprechen. Es ist auch nicht immer vorteilhaft, Briefe an solche Leute aus der Hand zu geben. Aber Sie haben gewiЯ alles durchgedacht und wissen, was Sie tun dьrfen.« K. nickte und begleitete den Fabrikanten noch durch das Vorzimmer. Aber trotz дuЯerlicher Ruhe war er ьber sich sehr erschrocken; daЯ er Titorelli schreiben wьrde, hatte er eigentlich nur gesagt, um dem Fabrikanten irgendwie zu zeigen, daЯ er die Empfehlung zu schдtzen wisse und die Mцglichkeiten, mit Titorelli zusammenzukommen, sofort ьberlege, aber wenn er Titorellis Beistand fьr wertvoll angesehen hдtte, hдtte er auch nicht gezцgert, ihm wirklich zu schreiben. Die Gefahren aber, die das zur Folge haben kцnnte, hatte er erst durch die Bemerkung des Fabrikanten erkannt. Konnte er sich auf seinen eigenen Verstand tatsдchlich schon so wenig verlassen? Wenn es mцglich war, daЯ er einen fragwьrdigen Menschen durch einen deutlichen Brief in die Bank einlud, um von ihm, nur durch eine Tьr vom Direktor-Stellvertreter getrennt, Ratschlдge wegen seines Prozesses zu erbitten, war es dann nicht mцglich und sogar sehr wahrscheinlich, daЯ er auch andere Gefahren ьbersah oder in sie hineinrannte? Nicht immer stand jemand neben ihm, um ihn zu warnen. Und gerade jetzt, wo er mit gesammelten Krдften auftreten sollte, muЯten derartige, ihm bisher fremde Zweifel an seiner eigenen Wachsamkeit auftreten! Sollten die Schwierigkeiten, die er bei Ausfьhrung seiner Bьroarbeit fьhlte, nun auch im ProzeЯ beginnen? Jetzt allerdings begriff er es gar nicht mehr, wie es mцglich gewesen war, daЯ er an Titorelli hatte schreiben und ihn in die Bank einladen wollen.
Er schьttelte noch den Kopf darьber, als der Diener an seine Seite trat und ihn auf drei Herren aufmerksam machte, die hier im Vorzimmer auf einer Bank saЯen. Sie warteten schon lange darauf, zu K. vorgelassen zu werden. Jetzt, da der Diener mit K. sprach, waren sie aufgestanden, und jeder wollte eine gьnstige Gelegenheit ausnьtzen, um sich vor den anderen an K. heranzumachen. Da man von seiten der Bank so rьcksichtslos war, sie hier im Wartezimmer ihre Zeit verlieren zu lassen, wollten auch sie keine Rьcksicht mehr ьben. »Herr Prokurist«, sagte schon der eine. Aber K. hatte sich vom Diener den Winterrock bringen lassen und sagte, wдhrend er ihn mit Hilfe des Dieners anzog, allen dreien: »Verzeihen Sie, meine Herren, ich habe augenblicklich leider keine Zeit, Sie zu empfangen. Ich bitte Sie sehr um Verzeihung, aber ich habe einen dringenden Geschдftsgang zu erledigen und muЯ sofort weggehen. Sie haben ja selbst gesehen, wie lange ich jetzt aufgehalten wurde. Wдren Sie so freundlich, morgen oder wann immer wiederzukommen? Oder wollen wir die Sachen vielleicht telephonisch besprechen? Oder wollen Sie mir vielleicht jetzt kurz sagen, worum es sich handelt, und ich gebe Ihnen dann eine ausfьhrliche schriftliche Antwort. Am besten wдre es allerdings, Sie kдmen nдchstens.« Diese Vorschlдge K.s brachten die Herren, die nun vollstдndig nutzlos gewartet haben sollten, in solches Staunen, daЯ sie einander stumm ansahen. »Wir sind also einig?« fragte K., der sich nach dem Diener umgewendet hatte, der ihm nun auch den Hut brachte. Durch die offene Tьr von K.s Zimmer sah man, wie sich drauЯen der Schneefall sehr verstдrkt hatte. K. schlug daher den Mantelkragen in die Hцhe und knцpfte ihn hoch unter dem Halse zu.
Da trat gerade aus dem Nebenzimmer der Direktor-Stellvertreter, sah lдchelnd K. im Winterrock mit den Herren verhandeln und fragte: »Sie gehen jetzt weg, Herr Prokurist?« »Ja«, sagte K. und richtete sich auf, »ich habe einen Geschдftsgang zu machen.« Aber der Direktor-Stellvertreter hatte sich schon den Herren zugewendet. »Und die Herren?« fragte er. »Ich glaube, sie warten schon lange.« »Wir haben uns schon geeinigt«, sagte K. Aber nun lieЯen sich die Herren nicht mehr halten, umringten K. und erklдrten, daЯ sie nicht stundenlang gewartet hдtten, wenn ihre Angelegenheiten nicht wichtig wдren und nicht jetzt, und zwar ausfьhrlich und unter vier Augen, besprochen werden mьЯten. Der Direktor-Stellvertreter hцrte ihnen ein Weilchen zu, betrachtete auch K., der den Hut in der Hand hielt und ihn stellenweise von Staub reinigte, und sagte dann: »Meine Herren, es gibt ja einen sehr einfachen Ausweg. Wenn Sie mit mir vorlieb nehmen wollen, ьbernehme ich sehr gerne die Verhandlungen statt des Herren Prokuristen. Ihre Angelegenheiten mьssen natьrlich sofort besprochen werden. Wir sind Geschдftsleute wie Sie und wissen die Zeit von Geschдftsleuten richtig zu bewerten. Wollen Sie hier eintreten?« Und er цffnete die Tьr, die zu dem Vorzimmer seines Bьros fьhrte.
Wie sich doch der Direktor-Stellvertreter alles anzueignen verstand, was K. jetzt notgedrungen aufgeben muЯte! Gab aber K. nicht mehr auf, als unbedingt nцtig war? Wдhrend er mit unbestimmten und, wie er sich eingestehen muЯte, sehr geringen Hoffnungen zu einem unbekannten Maler lief, erlitt hier sein Ansehen eine unheilbare Schдdigung. Es wдre wahrscheinlich viel besser gewesen, den Winterrock wieder auszuziehen und wenigstens die zwei Herren, die ja nebenan doch noch warten muЯten, fьr sich zurьckzugewinnen. K. hдtte es vielleicht auch versucht, wenn er nicht jetzt in seinem Zimmer den Direktor-Stellvertreter erblickt hдtte, wie er im Bьcherstдnder, als wдre es sein eigener, etwas suchte. Als K. sich erregt der Tьr nдherte, rief er: »Ach, Sie sind noch nicht weggegangen!« Er wandte ihm sein Gesicht zu, dessen viele straffe Falten nicht Alter, sondern Kraft zu beweisen schienen, und fing sofort wieder zu suchen an. »Ich suche eine Vertragsabschrift«, sagte er, »die sich, wie der Vertreter der Firma behauptet, bei Ihnen befinden soll. Wollen Sie mir nicht suchen helfen?« K. machte einen Schritt, aber der Direktor-Stellvertreter sagte: »Danke, ich habe es schon gefunden«, und kehrte mit einem groЯen Paket Schriften, das nicht nur die Vertragsabschrift, sondern gewiЯ noch vieles andere enthielt, wieder in sein Zimmer zurьck.
»Jetzt bin ich ihm nicht gewachsen«, sagte sich K., »wenn aber meine persцnlichen Schwierigkeiten einmal beseitigt sein werden, dann soll er wahrhaftig der erste sein, der es zu fьhlen bekommt, und zwar mцglichst bitter.« Durch diesen Gedanken ein wenig beruhigt, gab K. dem Diener, der schon lange die Tьr zum Korridor fьr ihn offenhielt, den Auftrag, dem Direktor gelegentlich die Meldung zu machen, daЯ er sich auf einem Geschдftsgang befinde, und verlieЯ, fast glьcklich darьber, sich eine Zeitlang vollstдndiger seiner Sache widmen zu kцnnen, die Bank.
Er fuhr sofort zum Maler, der in einer Vorstadt wohnte, die jener, in welcher sich die Gerichtskanzleien befanden, vollstдndig entgegengesetzt war. Es war eine noch дrmere Gegend, die Hдuser noch dunkler, die Gassen voll Schmutz, der auf dem zerflossenen Schnee langsam umhertrieb. Im Hause, in dem der Maler wohnte, war nur ein Flьgel des groЯen Tores geцffnet, in den anderen aber war unten in der Mauer eine Lьcke gebrochen, aus der gerade, als sich K. nдherte, eine widerliche, gelbe, rauchende Flьssigkeit herausschoЯ, vor der sich einige Ratten in den nahen Kanal flьchteten. Unten an der Treppe lag ein kleines Kind bдuchlings auf der Erde und weinte, aber man hцrte es kaum infolge des alles ьbertцnenden Lдrms, der aus einer Klempnerwerkstдtte auf der anderen Seite des Torganges kam. Die Tьr der Werkstдtte war offen, drei Gehilfen standen im Halbkreis um irgendein Werkstьck, auf das sie mit den Hдmmern schlugen. Eine groЯe Platte WeiЯblech, die an der Wand hing, warf ein bleiches Licht, das zwischen zwei Gehilfen eindrang und die Gesichter und Arbeitsschьrzen erhellte. K. hatte fьr alles nur einen flьchtigen Blick, er wollte mцglichst rasch hier fertig werden, nur den Maler mit ein paar Worten ausforschen und sofort wieder in die Bank zurьckgehen. Wenn er hier nur den kleinsten Erfolg hatte, sollte das auf seine heutige Arbeit in der Bank noch eine gute Wirkung ausьben. Im dritten Stockwerk muЯte er seinen Schritt mдЯigen, er war ganz auЯer Atem, die Treppen, ebenso wie die Stockwerke, waren ьbermдЯig hoch, und der Maler sollte ganz oben in einer Dachkammer wohnen. Auch war die Luft sehr drьckend, es gab keinen Treppenhof, die enge Treppe war auf beiden Seiten von Mauern eingeschlossen, in denen nur hier und da fast ganz oben kleine Fenster angebracht waren. Gerade als K. ein wenig stehenblieb, liefen ein paar kleine Mдdchen aus einer Wohnung heraus und eilten lachend die Treppe weiter hinauf. K. folgte ihnen langsam, holte eines der Mдdchen ein, das gestolpert und hinter den anderen zurьckgeblieben war, und fragte es, wдhrend sie nebeneinander weiterstiegen: »Wohnt hier ein Maler Titorelli?
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